Kirche könnte so schön sein, wenn die deutschen Katholiken nicht wären

 

Gedanken eines deutschen Theologen zum freien Wort in der Kirche:

 

?Heute darf die Kirche weniger denn je nach innen oder nach außen auch nur den Eindruck erwecken, als sei sie einer jener totalen Staaten, bei denen die äußere Macht und ein in tödlichem Schweigen geschehener Gehorsam alles und Freiheit und Liebe nichts ist, als seien ihre Regierungsmethoden dieselben wie die der totalitären Systeme, wo die öffentliche Meinung in einem Propagandaministerium gemacht wird.? (1953)

 

 

Über die Wirkung eines freien Wortes schreibt er:

?dass eine auch berechtigte freimütige Meinungsäußerung über kirchliche Dinge auf Vertreter der kirchlichen Autorität den Eindruck versteckter Rebellion oder eines Ressentiments gegen die kirchliche Obrigkeit macht und bei anderen Menschen in der Kirche, die die alten Formen gewohnt sind,? einen nicht erfreulichen Klang hat.? (1953)

 

 

Für die Zukunft der Kirche wünscht er sich:

 

?Die Kirche sollte entklerikalisierte Kirche sein. Dieser Satz ist natürlich missverständlich und muss erklärt werden. Es ist selbstverständlich, dass in der Kirche ein Amt mit bestimmten Aufgaben und Vollmachten gibt ? [er schreibt weiter, dass er sich] eine Kirche [wünscht], in der auch die Amtsträger in fröhlicher Demut damit rechnen, dass der Geist weht, wo er will, dass er keine exklusive Erbpacht bei ihnen eingerichtet hat, dass das nie völlig reglementierbare Charismatische ebenso notwendig zur Kirche gehört wie das Amt, das nie einfach mit dem Geist identisch ist und ihn ersetzen kann?? (1972)

 

 

Für den Umgang der Amtsträger mit der Basis gibt der zu bedenken:

 

?Die formale Autorität eines Amtes enthebt auch dann, wenn der Amtsträger an sich legitim von ihr Gebrauch macht, ihn nicht der Pflicht, von der Sache her und in wirklichen heutigen Verstehenshorizonten um die echte Zustimmung derer effizient zu werben, die von einer solche Entscheidung betroffen werden. Mir will scheinen, dass besonders auch römische Erlasse dieses Prinzip nicht genügend verstehen und darum in solchen Erlassen die formale Autorität übergebührlich strapaziert wird.? (1972)

 

 

Gemeinden der Zukunft sind nicht,

 

?die Pfarreien im Sinne von Verwaltungssprengeln der Amtskirche, die von oben her Menschen betreut, sind die Basisgemeinden, die von unten her die Kirche der Zukunft aufbauen müssen.? (1972)

 


Stichwort Demokratisierung:

 

?Es ist nicht einzusehen, warum bei der Wahl eines Bischofs nicht mindestens einmal die Priester der betreffenden Diözese in einer wirklich effizienten Weise mitwirken sollten.? (1972)


?Solche deutlichere Mitwirkung der Laien ist heute nicht nur bei der Bestellung von Amtsträgern in der Kirche, sondern auch bei anderen Entscheidungsvorgängen im kirchlichen Leben angezeigt. ? Der Hirt soll Hirte bleiben, aber er soll deshalb noch lange nicht seine Schafe ? wie Schafe behandeln.? (1972)

 

Diese Ausschnitte stammen von Karl Rahner (1904-1984) und zwar aus dem Jahre 1953 und 1972.

 

 


Noch ein Hinweis von Otto Wüst (1926-2002), Bischof von Basel (1982-1993):

 

?Kritik gehört zum Dasein der Kirche. Sie hat eine wichtige Aufgabe im Selbstreinigungsprozess der Kirche, die ja unablässig den Weg der inneren Erneuerung gehen muss. Kritik hat es darum in der Kirche schon immer gegeben. Schon die Apostelgeschichte berichtet davon: Paulus kritisiert das Verhalten des Petrus ? Jesus selbst war ein großer Kritiker. Denn was kann Kritik in der Kirche anders sein als Aufforderung zur Buße, zum Umdenken, zur Erneuerung und Veränderung."

 

 

Lit.: Rahner, Karl: Das freie Wort in der Kirche, Einsiedeln 1953.

       Rahner, Karl: Strukturwandel in der Kirche, Freiburg u.a. 1972.

       Wüst, Otto: Monatliches Wort des Bischofs (April 1980),
                         zitiert aus:Haag, Herbert: Das freie Wort in der Kirche, in:
                         Ein Traum von Kirche (Herder Sonderband), Freiburg u.a. 1998, 69-77, 76f.